Obwohl sicher fast jede*r von erheblichen Auswirkungen der Pandemie auf das tägliche Leben berichten kann, wird immer deutlicher, dass nicht alle Menschen gleichermaßen von den Folgen der Corona-Krise betroffen sind. Recherchen zu diesem Thema zeigen schnell, dass gerade Frauen die Belastungen in besonderem Maße zu spüren bekommen – in fast allen Lebensbereichen.
Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung arbeiten deutlich mehr Frauen in sogenannten systemrelevanten Berufen wie der Pflege. Diese sind zwar offensichtlich unverzichtbar für die Grundversorgung der Bevölkerung, paradoxerweise herrschen aber gerade hier häufig sehr schlechte Arbeitsbedingungen in Form von hoher Arbeitsbelastung bei Personalmangel, hohem Ansteckungsrisiko und schlechter Bezahlung.1 Doch auch Frauen, die nicht in systemrelevanten Berufen arbeiten, haben momentan häufig das Nachsehen. So sind von den Lockdown-bedingten Schließungen vor allem Branchen betroffen, in denen vermehrt Frauen ihren Lebensunterhalt verdienen, wie z. B. Gastronomie oder Tourismus. Frauen laufen somit insgesamt eher Gefahr durch die Krise in eine prekäre finanzielle Lage zu geraten. Dies verschärft sich insbesondere, wenn sie bereits vor der Pandemie durch z.B. niedriges Bildungsniveau und/ oder alleinerziehende Mutterschaft einen geringen sozio-ökonomischen Status aufwiesen.2
Für Alleinerziehende stellt sich die Situation durch den Wegfall von Kinderbetreuung in Schulen und Kitas noch herausfordernder dar als vor der Pandemie. In einer Erwerbstätigenbefragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung geben 52 % der Alleinerziehenden mit Kindern unter 14 Jahren an „äußerst belastet“ oder „stark belastet“ durch die Auswirkungen der Krise zu sein.3 Zusätzlich alarmierend ist dabei der Fakt, dass 90 Prozent der 692.000 erwerbstätigen Alleinerziehenden mit Kindern unter 13 Jahren Frauen sind.4 Aber auch Mütter in heterosexuellen Paarbeziehungen sind meist stärker gefordert als die Väter. Die eben erwähnte Befragung des WSI kommt zu dem Schluss, „dass auch in der Krise der ganz überwiegende Teil der anfallenden Betreuungsarbeit von Frauen übernommen wird.“ 54 Prozent der befragten Frauen berichten den überwiegenden Teil der anfallenden Kinderbetreuung abzudecken. Dem gegenüber stehen gerade mal 12 Prozent der Männer, die diese Aufgabe schultern.
Selbst Paare, die angaben sich die Kinderbetreuung vor der Pandemie gerecht aufgeteilt zu haben, konnten dies nur noch in 60 Prozent der Fälle beibehalten. Bei Paaren mit einem Gesamteinkommen von weniger als 2000 Euro war es sogar nur 48 Prozent möglich. Grund dafür scheint der meist höhere Verdienst der Männer zu sein.5 Denn um die wirtschaftlichen Einbußen so gering wie möglich zu halten, reduziert nachvollziehbarerweise meist das Elternteil mit dem niedrigeren Einkommen die Arbeitszeit. Je prekärer die finanzielle Situation desto weniger Spielraum bleibt bei dieser Entscheidung. Langfristig bedeutet diese Entwicklung unter Umständen massive Einschnitte in das Erwerbs- und Renteneinkommen von Frauen, da durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise die Wiederaufnahme der ursprünglichen Arbeitszeit wahrscheinlich häufig nicht ohne weiteres möglich sein wird. Hier zeigt sich deutlich der Zusammenhang zwischen Gender Care Gap und Gender Pay Gap sowie der bereits viele Male angeprangerte strukturelle Charakter dieser Problematik.
Die allgemein angespannte Situation bringt außerdem vermehrt psychische Belastungen mit sich. Dies zeichnet sich deutlich in der Beratungsarbeit mit den Klientinnen ab. Ein generell empfundener Kontrollverlust, Einsamkeit, Existenzängste, aber auch erschwerte Zugänge zu Arztterminen oder Schwangerschaftsberatungen, steigende Preise oder die Sorge um gesundheitlich besonders gefährdete Angehörige führen nicht selten zu depressiven Verstimmungen und Angstzuständen.
Das Jonglieren zwischen Erwerbs- und Care-Arbeit, mitunter enge Wohnverhältnisse und Existenzängste steigern auch die Rate häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder. Die Möglichkeiten Gewaltsituationen im häuslichen Umfeld zu entgehen werden durch die Corona bedingten Einschränkungen zusätzlich begrenzt. Selbst Hilfetelefone und Frauenschutzhäuser können schlechter in Anspruch genommen werden, da die gewalttätigen Partner die Wohnung deutlich seltener verlassen und die betroffenen Frauen deshalb schwieriger unbemerkt Kontakt nach Außen aufnehmen können. Das verschärft die Lage der Betroffenen enorm.6
Insgesamt scheint die Krise sowohl im wirtschaftlichen, wie auch sozialen und gesundheitlichen Bereich wie ein Brennglas alle bereits vorhandenen Ungleichheiten und Schieflagen zu befeuern. Insofern kann und darf die Hoffnung nicht sein zum „Normalzustand“ zurückzukehren. Mädchen und Frauen ist nur dann langfristig geholfen, wenn sowohl ihr Schutz als auch ihre generelle Gleichstellung in allen Lebensbereichen zur klaren und selbstverständlichen Agenda der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger*innen werden.
1 Koebe, J., Samtleben, C., Schrenker, A., Zucco, A. (2020): Entlohnung unverzichtbarer Berufe in der Corona-Krise unterdurchschnittlich. DIW aktuell 48, 9 S.
2 https://www.lpb-bw.de/gesellschaft-und-corona#c60709
3 https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?sync_id=8906
4 https://www.gender.de/cms-gender/wp-content/uploads/gender_corona.pdf
5 Schrenker, A., Zucco, A. (2020): Gender Pay Gap steigt ab dem Alter von 30 Jahren stark an. DIW Wochenbericht 10, S. 137-145.
6https://www.paritaet-bw.de/presseportal/pressemitteilungen/frauenhaeuser-bieten-schutz-auch-zeiten-der-corona-pandemie
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